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Altern kann ganz unterschiedlich aussehen

Ein positives Bild kann bei dem Gedanken ansetzen, dass Altern ein individueller Prozess ist, der ganz unterschiedlich aussehen kann. Barbara Schmitz rät: „Statt an dem Bild des leistungsstarken, unabhängigen Individuum krampfhaft festhalten zu wollen, kann das Alter als eine Zeit verstanden werden, in der zwar neue, innovative Potenziale entdeckt werden können, in der aber auch eine andere Einstellung, eine neue Haltung entwickelt werden kann.“ Alter kann ebenso bedeuten, dass man sich von Fähigkeiten, die im mittleren Lebensalter noch wichtig waren, abkehrt und sich unverwirklichten Träumen zuwendet. Vielleicht entdeckt man gerade im Alter Seiten und Fähigkeiten bei sich, die vorher in einem von Leistungsdruck geprägten Leben zu kurz kamen. Barbara Schmitz ist habilitierte Philosophin. Sie lehrte und forschte an den Universitäten in Basel, Oxford, Freiburg i. Br., Tromsø und Princeton. Sie lebt als Privatdozentin, Lehrbeauftragte und Gymnasiallehrerin in Basel.

Im Alter kann man eine neue Haltung zum Leben und sich selbst entwickeln

Je älter man wird, desto wichtiger wird aber gerade auch die Anerkennung von eigener Verletzlichkeit und Einschränkungen der eigenen Fähigkeiten. Barbara Schmitz stellt fest: „Irgendwann wird sich der Alterungsprozess nicht mehr leugnen oder überdecken lassen, und das mag sehr schmerzhaft sein, doch zeigt sich hier auch eine große Chance, eine neue Haltung zum Leben und zu sich selbst zu entwickeln.“ In dieser neuen Einstellung können Gelassenheit, Offenheit und die Anerkennung von physischen und mentalen Grenzen besonders wichtig sein.“

In der Philosophie finden sich neben Bildern vom Altern als Verlustgeschäft auch Anstöße, um zu einer anderen Sicht zu gelangen. Barbara Schmitz nennt ein Beispiel: „Der Philosoph Odo Marquard nennt als Kennzeichen für das Denken im Alter, dass man weniger opportunistisch ist, sich mehr an eigenem Denken zutraut und „illusionsresistent“ ist.“ Und bei Jakob Grimm heißt es: „Die Rüstkammern der Erfahrung sind gefüllt“, eine wertvolle Quelle für die Weitergabe des Wissens an andere, für Generativität, der im Alter besondere Bedeutung bekommt.

Das Alter bietet eine besondere Perspektive

Das Alter ist auch die Zeit, in der einem die eigene Vergänglichkeit bewusst wird. Im Alter lässt sich nicht mehr verleugnen, dass Menschen endliche Wesen sind. Barbara Schmitz ergänzt: „Fragen des Sinns können sich jetzt – ähnlich wie bei schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten – unabweisbar aufdrängen. War mein Leben vergeblich? Welchen Sinn hatte es?“ Die Rückschau auf das eigene Leben kann jetzt drängend werden. „Das Alter ist für mich kein Kerker, sondern ein Balkon, von dem man zugleich weiter und genauer sieht“, so die Schriftstellerin Marie Luise Kaschnitz in ihrem Tagebuch.

Sie formuliert hier eine positive Sicht, bei der das Alter eine besondere Perspektive bietet. Barbara Schmitz erläutert: „Da man nicht mehr so stark wie früher in Arbeit und Aktivität eingebunden ist, wird es möglich, einen Blick zu entwickeln, der weiter und präziser ist. Das Alter verbindet sich so mit der Fähigkeit, komplexere Zusammenhänge zu überblicken.“ Außerdem verändert im Alter das Verhältnis zur Zeit. Die Zukunft wird kleiner, die gelebte Zeit wird größer. Quelle: „Was ist ein lebenswertes Leben?“ von Barbara Schmitz

Von Hans Klumbies

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